Ein geglücktes Geburtstagsgeschenk
Eröffnung des Attergauer Kultursommers mit Bachs h-Moll-Messe.
Seit 40 Jahren zählt der Attergauer Kultursommer zu den großen Sommerfestivals Oberösterreichs. In den letzten Jahren wurde immer wieder das Konzept angepasst, sodass das Festival zeitgemäß geblieben ist, Tradition wurde nicht mit Verzopftheit verwechselt. Wie könnte man den Auftakt zu einem derartigen Jubiläum besser feiern als mit einem der größten musikalischen Kunstwerke, das seit 2015 zum Unesco-Weltdokumentenerbe zählt? – Bachs h-Moll-Messe.
Ein Werk, das nicht allein wegen seiner Dimension beeindruckt, sondern auch wegen seiner fast 30-jährigen Entstehungsgeschichte, seiner Rezeption mit Fragezeichen – es ist nicht sicher, ob die Messe zu Bachs Zeiten je erklungen ist – und auch der unklaren Motivation wegen, nämlich die 1733 entstandene kurze Messe mit dem Sanctus von 1723 und neu arrangierten und neu komponierten Teilen in den letzten Lebensjahren zu dieser Größe zu komplettieren – und darüber hinaus noch in einen theologischen und musikalisch diffizil ausgeklügelten Gesamtplan zu integrieren. Ein Werk, das herausfordernd ist und an die Interpreten größte Anforderungen stellt. Anforderungen, denen der Chor Ad Libitum und das ebenfalls von Heinz Ferlesch grandios geleitete Originalklangorchester Barucco am Freitag in der Pfarrkirche St. Georgen im Attergau mehr als nur gewachsen waren.
Lebendige Klänge
Beeindruckend dabei die scheinbar schwerelose Begeisterung, die den historischen Notentext in lebendige Klänge verwandelt. Heinz Ferlesch arbeitete unglaublich subtil an dynamischen Facetten – imposant zum Beispiel das beinahe aus dem Nichts einsetzende Thema des Dona Nobis, die ideale Balance zwischen Corno da Caccia, Fagotten, Basssolisten und Continuo im “Quoniam tu solus sanctus” oder auch die elegante, fast tänzerische und dynamisch ebenso fein abgestufte Beweglichkeit des Sanctus. Man könnte unzählige Stellen aufzeigen, um diese Interpretation als höchst gelungen hervorzuheben.
Aber nicht nur der besonders textdeutliche und klanglich ideal disponierte Chor Ad Libitum und das mit herausragenden Soli aufwartende Ensemble Barucco, sondern auch die vier Solisten trugen dazu bei – die kurzfristig eingesprungene und dennoch restlos überzeugende Elisabeth Wimmer (Sopran), die nicht minder – vor allem im Agnus Dei – bewegende Patricia Nolz (Alt), der stilistisch versierte Daniel Johannsen (Tenor) und der ebenso gewandt agierende Bass Matthias Helm.
Fazit: Eine absolut rundum geglückte und ideal durchdachte Interpretation – für den Attergauer Kultursommer ein ausgesprochen delikates Geschenk zum 40er.
wruss, OÖN, 19.7.2021